Trend zur nachhaltigen Geldanlage: Wünsche variieren - Umfrage aus 2022

Stand:
Immer mehr Menschen möchten mit ihrem Geld einen positiven, sprich nachhaltigen Beitrag leisten. Doch was wünschen sich Verbraucherinnen und Verbraucher dabei genau?
Das wollte die Verbraucherzentrale Bremen wissen und startete eine aktuelle Umfrage zu nachhaltigen Geldanlagen.
Nachhaltige Geldanlage; aktuelle Forsa-Umfrage

Das Wichtigste in Kürze

  • Sparanlagen verlieren zugunsten von Aktien, Fonds und ETFs
  • Interesse steigt – bei den Jüngeren am stärksten
  • Beste Beratung bei Verbraucherzentralen erwartet
  • Ökologische Themen bei Ausschlusskriterien und Investitionen stärker genannt
  • Geplante Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenz wird positiv gesehen   
  • Wirkung: Knappe Mehrheit erwartet messbare Effekte, geringere Rendite wäre vertretbar  
  • Mehr Nachhaltigkeit bei Altersvorsorgeprodukten gefordert
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Sprach man lange von einer Nische bei nachhaltigen Geldanlagen, so scheinen sie nun wohl im sogenannten Mainstream angekommen zu sein. Beispiel Investmentfonds: In 2020 hatten, laut Jahresbericht 2021 des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG), nachhaltige Fonds zwar nur einen Anteil von 6,4 Prozent am Gesamtfondsmarkt. Aber der Anstieg ist mit 69 Prozent enorm. Für das Jahr 2021 sieht es vermutlich ähnlich aus, denn insbesondere bei Investmentfonds kommen immer mehr auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Angebote auf den Markt. Oder es werden bestehende Fonds umdeklariert. Laut einer Studie der Unternehmensberatung PwC und des Wertpapierhändlers Morningstar aus Oktober 2021 sind mittlerweile 22 Prozent aller Fonds auf dem europäischen Markt – im Sinne von Artikel acht oder neun der seit 2021 geltenden Europäischen Offenlegungsverordnung – so klassifiziert. Das heißt, sie bezeichnen sich selbst als nachhaltig.

Obwohl insgesamt noch mehr institutionelle Anleger so investieren, interessieren sich mittlerweile auch immer mehr Privatanleger für nachhaltige Geldanlagen. Laut FNG hat sich deren Anlagevolumen in 2019 quasi verdoppelt, in 2020 waren es sogar 117 Prozent. Dies ist besonders bemerkenswert, nachdem die durchschnittlichen Wachstumsraten in den Jahren 2012 bis 2018 mit acht Prozent noch eher gering waren. Hinzu kommt, dass Anleger in Beratungsgesprächen ab August 2022 aufgrund des EU-Aktionsplans „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ nach ihren Nachhaltigkeitspräfenzen gefragt werden müssen. Durch diese regulatorische Anforderung wird das Thema noch stärker an Bekanntheit gewinnen.

Wie hat sich das Interesse, der Besitz sowie die Wünsche der Verbraucher und Verbraucherinnen zu solchen Produkten seit November 2013 verändert?

Die Verbraucherzentrale Bremen hat nachgefragt und die damals erstmalig durchgeführte Befragung mit dem Meinungsforschungsinstitut forsa wiederholt und einige neue Fragen gestellt.

 

Geldanlagen insgesamt: Sparanlagen verlieren zugunsten von Aktien, Fonds und ETFs

Waren in 2013 die festverzinslichen Sparanlagen noch die bei weitem am meisten genutzten Geldanlagen, so sieht die Verteilung der Mehrfachnennungen heute deutlich anders aus. Einlagen wie Sparanlagen, Tagesgelder und Bausparen bilden noch immer die Spitzengruppe. Aktien, Fonds und ETFs (Exchange Traded Funds) konnten aber deutlich aufholen.

Auch aktuell besitzt die Mehrheit der Befragten selbst noch keine nachhaltige Geldanlage. Allerdings ist der Anteil derer, die ihr Geld nachhaltig anlegen, gegenüber 2013 deutlich von fünf auf 22 Prozent gestiegen.

Die Hälfte derjenigen, die noch keine nachhaltige Geldanlage besitzen, äußert generelles Interesse an dieser Anlagemöglichkeit – ebenfalls eine deutliche Steigerung gegenüber 2013 (31 Prozent). Darunter sind die 18- bis 29-Jährigen am meisten interessiert: 63 Prozent haben großes oder sogar sehr großes Interesse an nachhaltigen Geldanlagen.

 

Informationsquellen und Beratung

Internet überwiegt

Das Internet beziehungsweise die eigene Hausbank sind erste Anlaufstellen, wenn es um Informationen zu nachhaltigen Geldanlagen geht: Jeweils etwa die Hälfte der Finanzentscheider würde diese Quellen nutzen, um sich näher über nachhaltige Geldanlagen zu informieren. Jeweils etwa ein Drittel der Finanzentscheider würde die Stiftung Warentest ansprechen beziehungsweise sich auf Informationen von Verwandten oder Bekannten verlassen. Jeder Vierte würde sich an eine Verbraucherzentrale oder einen unabhängigen Finanzberater wenden.

Beste Beratung: Verbraucherzentrale legt zu, Hausbanken stabil, unabhängige Finanzberater bei Jüngeren beliebter

Die beste Beratung zu nachhaltiger Geldanlage erwarten die Finanzentscheider aktuell von einer Verbraucherzentrale gefolgt von ihrer Hausbank. Während sich die Mehrheit der 18- bis 29-Jährigen die beste Beratung von einem unabhängigen Finanzberater verspricht, favorisieren die Über-60-Jährigen mehrheitlich die eigene Hausbank oder eine Verbraucherzentrale.

 

Ausschlüsse von Branchen oder Verhaltensweisen

Spontan noch wenig konkrete Vorstellungen

Fragt man offen (ungestützt), macht die Mehrzahl der Befragten keine Angabe, was nicht zu nachhaltigen Geldanlagen zählen sollte. Jene, die spontan konkrete Vorstellungen haben, geben in erster Linie einen Ausschluss der Waffen- und Rüstungsindustrie an.

Auch Staaten mit Diktaturen, beziehungsweise Staaten oder Unternehmen, die in Atomenergie investieren, den Klimaschutz missachten oder eine unzureichende Klima- und Umweltschutzpolitik betreiben beziehungsweise Menschenrechtsverletzungen begehen, sollten bei nachhaltigen Geldanlagen keine Berücksichtigung finden. Dies deckt sich mit den Ergebnissen von 2013.

Branchen-Ausschlüsse: konstant bei Rüstung, Glücksspiel und Tierhaltung

Neben der offenen Frage nach Ausschlüssen gab es auch Fragen mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten (gestützte Fragen). Nicht überraschend: Wie bei den spontanen Nennungen lehnen die Finanzentscheider mit weitem Abstand die Waffen- und Rüstungsindustrie ab. Über die Hälfte wünscht sich einen Ausschluss der Glücksspielbranche, gefolgt von industrieller Tierhaltung und von Pornografie. Auch die Tabakbranche, Atomkraft und Kohlekraftwerke sollten laut der Befragten von nachhaltigen Geldanlagen ausgeschlossen werden.

Bei Atomkraft und Kohlkraftwerken gibt es gegenüber 2013 die stärksten Veränderungen: Kohlekraftwerke werden heute deutlich kritischer gesehen als damals (von 19 auf 45 Prozent). Atomkraft hingegen geht bei den Ausschlüssen signifikant zurück (von 60 auf 44 Prozent). Einfluss darauf haben sicherlich die zum Zeitpunkt der Befragungen geführten gesellschaftlichen Diskussionen: in 2013 die zeitliche Nähe zum Atomunfall in Fukushima mit dem anschließenden erneuten Atomausstieg sowie heute die Debatte über den Kohleausstieg angesichts des Klimawandels.

Verhaltens-Ausschlüsse: Kinderarbeit und Umweltzerstörung vorne

Unverändert an erster Stelle liegt mit 71 Prozent die ausbeuterische Kinderarbeit.

Hohe Ablehnung mit starken Zuwächsen gibt es bei folgenden Kriterien: Fast zwei Drittel sind gegen die Zerstörung von Naturräumen. Gut die Hälfte wünscht einen Ausschluss von Korruption und Bestechung bzw. Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen.

Einen auffälligen Rückgang gibt es bei der Spekulation mit Nahrungsmitteln (von 33 auf 25 Prozent). Vermutlich steht auf dieses Thema aktuell nicht so sehr in der Wahrnehmung, als dass tatsächliche Verbesserungen gesehen werden.

 

Gezielte Investitionen in Branchen oder Unternehmen, die gewünschte Verhaltensweise beherzigen 

Spontan weiterhin für Klima- und Umweltschutz

Ergänzend zu den Ausschlüssen sollten die Befragten anschließend angeben, in welche Branchen und Verhaltensweisen von Unternehmen gezielt investiert werden sollte. Spontan äußerten sich die Finanzentscheider – wie bereits in 2013 – in erster Linie für eine Förderung von Klima- und Umweltschutz. Auf ähnlichem Niveau folgt die Unterstützung von erneuerbaren Energien bzw. einer nachhaltigen und umweltschonenden Produktion.

Investitionen in Branchen: Umweltschutz punktet gegenüber sozialen Kriterien

Bei der Befragung mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten sollte aus Sicht der Finanzentscheider mehrheitlich und verstärkt in Erneuerbare Energien investiert werden.  Fast ebenso viele würden ökologische Landwirtschaft und nachhaltige Forstwirtschaft auswählen.

Auch stiegen Themen wie Receycling/Kreislaufwirtschaft und umweltfreundlicher Transport.

Wohin gegen Themen wie Krankenhäuser/Pflegeeinrichtungen, Bildung, Trinkwasserversorgung und Kinderbetreuung weniger gewünscht wurden. Auch das Hauptthema von 2013, die Armutsbekämpfung, verzeichnet einen signifikanten Rückgang bei der Nennung von 61 auf 40 Prozent und landet aktuell nur noch auf dem fünften Platz.

Investitionen in Verhalten: gute Arbeitsbedingungen und faire Einkommen noch am wichtigsten

Wie bei den Branchen legen auch bei den gestützten Kriterien für das Verhalten von Unternehmen die Umweltthemen gegenüber den sozialen Themen zu. Mit knapp 60 Prozent sprechen sich zwar die meisten Befragten für eine Auswahl von Unternehmen aus, die gute Arbeitsbedingungen und faire Einkommen bieten. Der Wert ist aber von 65 auf 59 Prozent gesunken.

Gestiegen sind hingegen die Umweltthemen: Gut die Hälfte erwartet durch nachhaltige Geldanlagen die Verringerung von Schadstoffen. Knapp die Hälfte hofft, dass die Herstellung umweltfreundlicher Produkte und Technologien begünstigt wird. Ebenfalls fast die Hälfte wünscht sich eine Reduzierung von Treibhausgasemissionen beziehungsweise eine Stärkung der Ressourcen- und Energieeffizienz.

Rückgänge gibt es bei: Schaffung von Arbeitsplätzen, Einhaltung des Datenschutzes, Einbeziehung und Dialog mit Interessensgruppen bei strittigen Vorhaben, Weiterbildung der Mitarbeiter fördern sowie Förderung und Unterstützung von Entwicklungsländern.

 

Neue Fragen in 2022: Nachhaltigkeitspräferenz und Wirkung

Deutliche Mehrheit für Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz

Laut der Änderung zur europaweiten MiFID II-Verordnung zum Wertpapierhandel müssen in Wertpapierberatungsgesprächen ab August 2022 die Nachhaltigkeitspräferenzen von Anlegern abgefragt werden. Fast drei Viertel der Befragten spricht sich dafür aus, dass sie gefragt werden, ob sie in nachhaltige Finanzprodukte anlegen möchten und welche Kriterien ihnen dabei wichtig sind.

Wirkung von nachhaltiger Geldanlage – knappe Mehrheit erwartet messbare Effekte, geringere Rendite wäre vertretbar

44 Prozent der Befragten wünschen sich, dass ihre nachhaltige Geldanlage auch eine eindeutig messbare und zuordenbare nachhaltige Wirkung erzeugt. Für 28 Prozent reicht es aus, wenn bestimmte, kontroverse Branchen oder Verhaltensweisen ausgeschlossen werden.

Zwei Drittel derjenigen, für die eine messbare und zuordenbare Wirkung bei einer nachhaltigen Geldanlage wichtig ist, würde eine geringere Rendite bei einer solchen Anlageakzeptieren. Für neun Prozent wäre auch ein höheres Risiko vertretbar. Gut ein Fünftel würde weder eine geringere Rendite noch ein höheres Risiko billigen.

 

Mehr Nachhaltigkeit bei Altersvorsorgeprodukten gefordert – Vergleich mit 2017

Über die Hälfte der Finanzentscheider (58 Prozent) sind der Ansicht, dass Anbieter von Altersvorsorgeprodukten bei der Beitragsanlage generell Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen sollten. In 2017 sprachen sich noch 50 Prozent dafür aus.

Fazit

Betrachtet man die Aussagen aus den beiden Befragungen gemeinsam, lassen sich folgende Kernaussagen ableiten:

Was aus Sicht der Befragten zu nachhaltiger Geldanlage zählen soll und was nicht, verändert sich im Laufe der Zeit. Einfluss darauf haben sicherlich die zum Zeitpunkt der Befragungen geführten gesellschaftlichen Diskussionen. Zum Beispiel innerhalb des Themengebietes Energieerzeugung die Frage nach dem Ausschluss von bestimmten Energieträgern, hier: Atomkraft oder fossile Brennstoffe.

Unabhängig davon werden bestimmte Themengebiete, allein schon wegen ihrer beständig hohen Zustimmungswerte, wohl dauerhaft relevant für nachhaltige Geldanlage sein. Das zeichnet sich in diesen beiden Untersuchungen schon ab. Unsere Untersuchungen zeigen auch: Viele Menschen haben sich noch keine (abschließende) Meinung gebildet, was für sie nachhaltige Geldanlage sein und bewirken soll.

Abzuwarten bleibt, wie sich zum Beispiel der Krieg gegen die Ukraine und die dadurch ausgelöste Sicherheits- und Energiedebatte auf das Verständnis von Nachhaltigkeit und somit auch auf die Kriterien von nachhaltiger Geldanlage auswirkt. Die Befragung fand vom 24. Januar bis 4. Februar 2022 statt, also vor Ausbruch des Angriffskrieges.

Das Meinungsforschungsinstitut  Forsa befragte vom 24. Januar bis 4. Februar 2022 insgesamt 1002 Personen ab 18 Jahren, die in ihrem Haushalt über Finanzen entscheiden und aus einem nach Alter, Geschlecht und Region repräsentativen Panel gezogen und entsprechend dieser Merkmale sowie Bildung gewichtet wurden. Die vorangegangene Umfrage von 1014 Personen erfolgte vom 6. bis 15. November 2013.